Seit einem Jahr fordert der Konflikt zwischen Meiteis und Kukis im indischen Bundesstaat Manipur auf beiden Seiten christliche Todesopfer. Vor den Wahlen kam es erneut zu Zusammenstössen.
Die Wahlen, die zwischen dem 19. und 26. April im Bundesstaat Manipur stattfanden, wurden von Gewalt überschattet. Schüsse, Zerstörung von Wahlurnen... Der erste Wahlgang musste teilweise annulliert werden und die Wähler mussten ihre Stimme erneut abgeben. Der zweite Wahlgang verlief jedoch ruhiger.
Diese Gewalt ist Teil eines interethnischen Konflikts. Dieser herrscht zwischen den Meiteis, die mehrheitlich Hindus sind, aber auch eine christliche Minderheit in ihren Reihen haben, und den Kukis, die mehrheitlich Christen sind. Während diese beiden Gruppen jahrzehntelang friedlich zusammenlebten, kam es vor einem Jahr aufgrund einer umstrittenen Gerichtsentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu Zusammenstössen. Die Gewalt hat seither nicht aufgehört...
Auf Messers Schneide
Eine Partnerin von Open Doors vor Ort, Priya Sharma, berichtet: «Gemeinschaften, die einst in Frieden und Harmonie lebten, sind durch Hass und Missverständnisse, die von Extremisten auf beiden Seiten verbreitet werden, aneinandergeraten.» Sie sagt weiter:
«Es gab nicht einen Monat ohne Gewalt.»
Priya Sharma
Am 12. April gab es vier Opfer unter den Christen: zwei tote Kukis und zwei verletzte Meiteis. Die christliche Minderheit der Meitei wird stark unter Druck gesetzt, sich wieder dem Hinduismus zuzuwenden.
Schusswaffen und Bomben
Kiran (Deckname) ist ein Meitei-Pastor, der nun, wie er erklärt, «heimlich die Gläubigen in seiner Kirche besuchen muss. Früher konnten Meiteis und Kukis gemeinsame Gottesdienste abhalten, heute gehen wir uns gegenseitig an die Gurgel», beklagt er. Diese Aussage wird von Minthang (Deckname), einem Kuki-Pastor, der aus seinem abgebrannten Dorf und seinem Haus fliehen musste, bestätigt: «Früher waren wir in Gemeinschaft miteinander. Aber seit einem Jahr sind wir Zeugen von Schusswaffen und Bombenexplosionen.» Er erklärt weiter:
«Wir werden von der Meitei-Gemeinschaft gehasst und vom Kuki-Stamm kaum besser aufgenommen!»
Minthang
In diesem indischen Bundesstaat mussten etwa 70'000 Angehörige der beiden Ethnien aus ihren Häusern fliehen. Sie leben in Flüchtlingslagern oder bei Verwandten in anderen Bundesstaaten. Alle Vertriebenen haben grosse Schwierigkeiten, Arbeit zu finden und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten: Unterkunft, Nahrung, Hygiene, medizinische Versorgung und Schulbildung für die Kinder. Kimboi (Deckname), ein Kuki-Christ, beschreibt seine Lebensbedingungen in einem Flüchtlingslager als «miserabel». Mohan (Deckname) ist ein Meitei-Pastor, dessen Haus von Meitei-Extremisten angezündet wurde. Auch er wohnt in einem Flüchtlingslager und lebt von fünf Franken im Monat.
Ein Hoffnungsschimmer
Die wohl traurigste Geschichte ist die von Zozam (Deckname), einer Kuki, die seit dreissig Jahren mit einem Meitei verheiratet ist. Seit einem Jahr müssen die beiden getrennt leben, um ihr Leben zu retten: «Wir dachten, dass nur der Tod uns trennen könnte», sagt Zozam. «Wir hätten uns nie vorstellen können, dass es so viel Gewalt geben würde.»
Inmitten von all diesem Elend gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer: In den Flüchtlingslagern entstehen neue Gemeinden. «Es ist eine Freude zu sehen, wie sie sich versammeln und den Herrn anbeten, während die Menschen aus dem Distrikt sich ihnen anschliessen, um sie zu unterstützen», freut sich Nitya Kapur (Deckname), eine lokale Partnerin von Open Doors.