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Pressemeldungen Myanmar | 10 Juni 2025

Myanmar: Auf der Flucht im eigenen Land

Christen in Myanmar zwischen Bürgerkrieg, Erdbeben und religiöser Verfolgung

 

 
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Anlässlich des Weltflüchtlingstags der Vereinten Nationen zeigt Open Doors, eine NGO zur Unterstützung verfolgter Christen, die dramatische Situation der zahlreichen vertriebenen Christen, die einen Bevölkerungsanteil von 8 % in Myanmar stellen, auf. Seit dem Putsch durch die Militärjunta vor 4 Jahren wurden Hunderte Kirchen gezielt zerstört und Kirchenleiter verhaftet oder getötet. Millionen Binnenvertriebe leben in behelfsmässigen Lagern, in denen Christen weiterhin systematisch diskriminiert werden.
Burgdorf, 10. Juni 2025 - Myanmar ist bereits das fünfte Jahr in einem immer gewaltsameren Konflikt gefangen. Nach dem Putsch der Armee im Februar 2021 gehen die Kämpfe in vielen Teilen des Landes weiter und haben sich sogar intensiviert. Mehr Christen als je zuvor wurden vertrieben und leben in Lagern für Binnenflüchtlinge, suchen Zuflucht in Kirchen oder fliehen gar in den Dschungel, wo sie oft keinen Zugang zu Nahrung oder medizinischer Versorgung haben. Seit Beginn des Bürgerkrieges sind schätzungsweise 2,8 Millionen Bürger Myanmars zu Binnenvertriebenen geworden.

Binnenvertriebenenlager sind hoffnungslos überfüllt und die Lebensbedingungen sind miserabel. Christen sind in besonderer Weise betroffen, zahlreiche Kirchen, die Zuflucht geboten haben, wurden durch die Militärjunta niedergebrannt oder zerstört. «Die Zerstörung christlicher Kirchen passiert gezielt, um einer bestimmten religiösen und kulturellen Gemeinschaft psychische Schäden zuzufügen. Es geht hier nicht um Kollateralschäden», erklärt Salai Za uk Ling, ein Menschenrechtsaktivist der Chin. 


Der Hintergrund

Der Konflikt geht bereits auf das Jahr 1948 zurück, nachdem Myanmar die Souveränität von der ehemaligen Kolonialmacht Grossbritannien erlangte. Die unterschiedlichen ethnischen Gruppen strebten nach Unabhängigkeit, um dem entgegenzuwirken wurde der Buddhismus als Nationalreligion gestärkt und als zentrales Element der nationalen Identität erklärt. Anhänger anderer Religionen wurden als antinational angesehen. Das Militär nahm regelmässig christliche Dörfer und Kirchen ins Visier und Christen erlebten systematische Diskriminierung in allen Lebensbereichen. 

Die ethnischen Gruppen wie die Chin, Kachin, Kayah und Karen, die hauptsächlich in den Bergregionen leben und animistische Wurzeln haben, machen den grössten Teil der Christen aus. Sie sind ethnische Minderheiten, die das Christentum angenommen haben und von der buddhistischen Mehrheit der Bamar-Stämme seit jeher als Anhänger einer fremden, ausländischen Religion angesehen werden.

Daisy Htun (Name aus Sicherheitsgründen geändert), eine Partnerin von Open Doors in Myanmar, erklärt, dass die Christen in Myanmar zwar irgendwie «akzeptiert» werden und einige Kirchen von der Regierung anerkannt sind, das Christentum aber immer noch als fremde Religion gesehen wird. Es gibt weiterhin Fälle, in denen Christen keine Rechte und Genehmigungen zum Bau von Kirchen bekommen oder die Genehmigungsverfahren werden sehr langwierig, teilweise über mehrere Jahre, während Buddhisten mit Unterstützung der Regierung überall Tempel bauen und Einrichtungen gründen können.

Bürgerkrieg eskaliert in gezielter Gewalt gegen Christen

Seit dem Militärputsch 2021 hat diese Verfolgung ein schreckliches Ausmass erreicht. Die Junta hat brutale Gewalt im Chin-Staat entfesselt, wo über 90 Prozent der Bevölkerung Christen sind. Ganze Städte wurden zerstört, und Tausende mussten fliehen. Über 70'000 Menschen aus dem Chin-Staat haben in Indien Zuflucht gesucht, während unzählige andere weiterhin vertrieben sind. Mehr als 4000 Häuser und über 100 Kirchen und religiöse Stätten wurden zerstört. Viele christliche Leiter wurden verhaftet, gefoltert, sind verschwunden oder wurden getötet.  

Die Gewalt wird als Vorwand benutzt, um nichtbuddhistische Bevölkerungsgruppen zu schikanieren. In der Region Sagaing wurden viele christliche Dörfer vom Militär und radikalen buddhistischen Gruppen bombardiert und zerstört, während die Dörfer der buddhistischen Gruppen verschont blieben. Die Stadt Thantlang im Chin-Staat wurde von Soldaten zerstört und niedergebrannt. Wenn radikale buddhistische Gruppen jemanden als Unterstützer der Demokratiebewegung identifizieren, werden diese als Feinde behandelt, ihre Häuser geplündert und sie werden ständig kontrolliert und schikaniert.

Zahlreiche Menschen mussten ihr Zuhause verlassen und finden Zuflucht in behelfsmässigen Flüchtlingslagern. Daisy Htun berichtet: «In den Vertriebenenlagern fehlt es an grundlegenden Dingen wie Trinkwasser, Unterkünften, Toiletten, Essen und Medikamenten. Für Vertriebene sind die Arbeitskosten und Gebühren nicht die gleichen wie für Einheimische. Sie bekommen niedrigere Löhne und werden oft ausgebeutet.» 
 

«Im Rakhaing-Staat und anderen Gebieten mit buddhistischer Mehrheit werden staatliche und öffentliche Hilfen über buddhistische Mönche in den Klöstern verteilt. Christen bekommen weniger Hilfe und Essen und werden oft vernachlässigt und diskriminiert»

Daisy Htun
Sie erzählt weiter. «Oft wurden Lastwagen mit Hilfsgütern für die Vertriebenenlager angehalten. Ausländische Hilfsorganisationen und Aktivisten dürfen ihre humanitären Hilfsprogramme nicht durchführen. Der Zugang ist eingeschränkt und wird streng überwacht. Dies sind einige der Faktoren, die zum Elend und zur Notlage der Bewohner der Vertriebenenlager beitragen. Ihnen fehlt es an Kleidung, an Nahrung, an Hygieneartikeln.»


Erdbeben und Wirtschaftskrise

Das heftige Erdbeben vom 28. März 2025, das in der Stärke 7,7 sein Epizentrum im Zentrum Myanmars hatte, forderte im bürgerkriegsgeschüttelten Land mehr als 3000 Todesopfer. Es führte zu neuen Fluchtbewegungen, weil zahlreiche Häuser und Infrastruktur zerstört wurden. Die Verwüstung hat die Lebensbedingungen zusätzlich dramatisch verschlechtert. 

Wegen des andauernden Krieges haben die Menschen jeden Tag mit Problemen wie massiven Preissteigerungen, Lebensmittelknappheit zu kämpfen, Christen treffen zusätzlich Einschränkungen bei Versammlungen in Kirchen und Einschränkungen der Religionsfreiheit.

Christliche Konvertiten aus nichtchristlichen Gruppen werden von ihren Familien, der Gemeinschaft und religiösen radikalen Gruppen, die das Militär unterstützen, angegriffen. Christen, wie zum Beispiel Gläubige aus dem buddhistischen Bamar-Stamm, werden von ihren Familien und Gemeinschaften verfolgt. So werden die Namen von Christen, die konvertiert sind, von den Dorfvorstehern gezielt auf die Wehrpflichtliste gesetzt, sobald sie merken, dass die Person einem anderen Glauben angehört. Auch Christen aus anderen Glaubensgemeinschaften, beispielsweise mit muslimischem Hintergrund, werden von ihren Familien, Gemeinden und den lokalen Behörden verfolgt.

Jüngste Fälle von Gewalt gegen Christen

Die militärische Unterdrückung der Christen in Myanmar ist häufig subtil und erzeugt ein Klima der Angst. Die Kirchen und ihre Leiter werden so unter Druck gesetzt, dass sie Angst haben, sich gegen die Regierung auszusprechen. Laut der Vereinigung für politische Gefangene (Burma) (AAPP) wurden seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 bis zum 24. Februar 2025 insgesamt 28'658 Menschen von der Regierung festgenommen. Mindestens 147 Christen werden von der Regierung festgehalten – die Zahl dürfte aber höher sein, da die Datenlage schwierig ist und die meisten Fälle nicht gemeldet werden.

Pastor Hkalam Samson aus dem Bundesstaat Kachin wurde verhaftet und inhaftiert, weil er sich gegen das Militär ausgesprochen hatte. Er setzte sich für die Lage der Christen in Myanmar und gegen ihre Unterdrückung durch das Militär während des Staatsstreichs ein. Er wurde verhaftet und inhaftiert, dann am 17. April 2024 freigelassen, nur um am nächsten Tag, dem 18. April 2024, wieder in Gewahrsam genommen zu werden. Er sitzt immer noch im Gefängnis.

Am 17. Februar 2025 wurde der katholische Priester Donald Martin auf dem Kirchengelände von einer Gruppe von Angreifern, zugehörig zu den People's Defence Forces (PDF), getötet. Ausserdem wurde am 18. März 2025 ein weiterer Pastor, Hkun Jaw Li von der Kachin Baptist Church, von unbekannten bewaffneten Männern ermordet. 

Seit dem Putsch wurden laut Angaben von Christen vor Ort über 200 christliche Gebäude angegriffen, beschädigt, zerstört und bombardiert. Wegen des Krieges hat die Militärjunta christlich geprägte Gebiete ins Visier genommen und zerstört und bombardiert Kirchengebäude.

Kirchen und christliche Gebäude in der Region Sagaing, im Chin-Staat, im Shan-Staat, in der Region Mandalay, im Kachin-Staat, in der Region Yangon und in der Region Magway wurden angegriffen, beschädigt, bombardiert, geplündert, zerstört, niedergebrannt, geschlossen oder beschlagnahmt. 

Zerstörung der Lebensgrundlage der christlichen Gemeinschaft

Die Bombenangriffe und Anschläge haben nicht nur eine einmalige Wirkung. Sie haben Häuser und Gebäude zerstört, und der Zugang zu grundlegenden Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen usw. ist besonders in den von Christen bewohnten Gebieten sehr schwierig geworden. Das Leben ist extrem hart, da die Einkommensquellen sehr begrenzt sind, es keine Infrastruktur für die öffentliche Versorgung gibt und ständig die Gefahr weiterer Bombenanschläge besteht. Kinder haben keinen Zugang zu Bildung, und Kranke bleiben ohne medizinische Versorgung. Die Gemeinschaften leiden still und versinken immer tiefer in der Armut. 

Matt Lawrence, Projektleiter des Center for Information and Resilience (CIR) Myanmar Witness, sagt, dass die Zerstörung von Kirchen im Chin-Staat «sowohl symbolisch als auch physisch» ist und meint: «Wir haben festgestellt, dass der Konflikt in Myanmar nachhaltige und langfristige Auswirkungen auf die christliche Bevölkerung im Chin-Staat hat. Diese Gotteshäuser sind nicht nur in Zeiten von Konflikten durch internationales Recht geschützt, sondern haben auch eine heilige Bedeutung für die Menschen, die sie nutzen.» 

Die Pastoren Mung und Lim (Namen geändert) erzählen: «Vor dem Putsch hatten wir in unserem Dorf über 100 Gemeindemitglieder und wurden zu Familienfeiern eingeladen. Aber wegen des Konflikts mussten wir mit unseren Familien auf Motorrädern fliehen, nur mit den Kleidern, die wir am Leib trugen.» Die Pastoren schildern weiter: «Wenn wir vertrieben werden, haben wir sogar Angst, unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Das wirkt sich auf unseren Geist, unseren Körper und unsere Seele aus. Wir müssen wieder ganz von vorne anfangen. Unsere Prioritäten sind Essen, Unterkunft und unser Überleben.»

«Wir fordern die Regierung von Myanmar auf, unverzüglich Massnahmen zu ergreifen, um den Konflikt im Bundesstaat Chin zu entschärfen. Zu diesem Zweck sollte die internationale Gemeinschaft beide Konfliktparteien dazu ermutigen, Friedensinitiativen unter Achtung der Rechte von Minderheiten zu fördern», erklärt Philippe Fonjallaz, Leiter Open Doors Schweiz. «Sicherheit und humanitäre Hilfe müssen für alle Menschen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion gewährleistet sein, damit die Bevölkerung überleben kann. Es ist ebenfalls dringend notwendig, den Konflikt dauerhaft zu beenden und die Christen voll in den Aufbau der Zukunft des Landes einzubeziehen.»

 

 

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