Zum Internationalen Tag der Frauenrechte am 8. März
Burgdorf, 1. März 2024 - Es gibt viele Gründe, warum sich ein Klima der Unsicherheit auf eine gesamte Region oder ein Land ausweiten kann: wirtschaftlicher Zusammenbruch, Naturkatastrophen, politische Instabilität und Konflikte, um nur einige zu nennen. In jedem dieser Szenarien wird die allgemeine Sicherheit der Bevölkerung beeinträchtigt und bereits bestehende Anfälligkeiten werden verschärft.
Was passiert mit christlichen Frauen in Ländern, in denen Christen verfolgt werden, wenn sich dort gewalttätige Formen der Unsicherheit - wie religiöse Gewalt, bewaffnete Konflikte und kriminelle Gewalt - entwickeln? Diese Frage beleuchtet der neue Bericht von Open Doors zur geschlechtsspezifischen religiösen Verfolgung (GSRP), der am 1. März veröffentlicht wurde.
Die wichtigsten Trends der geschlechtsspezifischen Verfolgung
Die Ergebnisse von sieben Jahren Forschung zu geschlechtsspezifischer religiöser Verfolgung (GSRP) haben wiederholt bestätigt, dass Männer und Frauen Verfolgung nicht auf die gleiche Weise erleben.
Männer und Jungen erleben Verfolgung gezielt, sichtbar und gewalttätig. Sie erleiden vor allem physische oder psychische Gewalt, werden inhaftiert, am Arbeitsplatz belästigt, wirtschaftlich unter Druck gesetzt und gegen ihren Willen in die Armee eingezogen.
Für Frauen und Mädchen ist die Situation komplex, versteckt und ebenfalls gewalttätig. Laut dem Bericht 2024 sind die häufigsten Formen der Verfolgung in dieser Reihenfolge: Zwangsheirat, sexuelle Gewalt, körperliche Gewalt, psychische Gewalt und Entführung. Diese Taten finden hauptsächlich im privaten Bereich statt, oft hinter verschlossenen Türen oder von Personen aus dem familiären Umfeld verübt.
Unsicherheit verschärft die Verletzlichkeit christlicher Frauen.
Es gibt nicht nur eine einzige Art und Weise, wie Gewalt mit Religion interagiert. Es wird zunehmend anerkannt, dass religiöse Identitäten, Überzeugungen und Gemeinschaften in Gewaltkontexten wie auch in Konflikten wichtige und vielfältige Rollen spielen. Im Allgemeinen verschärft Unsicherheit bestehende Ungerechtigkeiten wie Armut, Rassenungerechtigkeit und Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. Wenn es bereits ein hohes Maß an religiöser Verfolgung gibt, können Situationen mit starker Gewalt neue Möglichkeiten für Verfolgung schaffen.
Konfliktbedingte sexuelle Gewalt ist weiterhin allgegenwärtig, sowohl als Kriegswaffe als auch als indirekte Folge erhöhter Instabilität. Sie betrifft christliche Frauen in 82% der 50 Länder, in denen Christen am stärksten verfolgt werden (84% der Länder bei Zwangsheirat, 72% der Länder bei körperlicher Gewalt und 62% der Länder bei Entführungen).
Manchmal ist geschlechtsspezifische Verfolgung Teil des täglichen Lebens und ausserhalb eines Kontexts hoher Gewalt präsent (siehe Saras Bericht unten).
Sie kann auch den Kontext im Umfeld prägen und von ihm geformt werden, bevor die Gewalt eskaliert und nachdem sie abgeklungen ist. So können z. B. marginalisierte Christen, insbesondere Frauen, in unsicheren Kontexten vor und nach Konflikten sehr verletzlich sein, wenn sie zwangsumgesiedelt werden oder wenn ihre Ehepartner getötet oder inhaftiert werden, um nur einige Beispiele zu nennen.
Saras Geschichte aus dem Irak
Sarah lebt in Bagdad, als sie zum Christentum konvertiert. Ihre Geschichte gibt einen Einblick, wie geschlechtsspezifische religiöse Verfolgung aussehen kann.
Sara wächst in der irakischen Hauptstadt bei ihrem muslimischen Vater auf. Sie lebt in einem Viertel, das hauptsächlich von christlichen Familien bewohnt ist, und ihre beste Freundin ist Christin. Im Alter von 15 Jahren beginnt sie, sich für die Kirche ihrer Freundin zu interessieren, aber der Sicherheitsbeamte an der Tür lässt sie nicht hinein, weil sie Muslima ist. Also beschließt sie, die Bibel und islamische Bücher zu lesen, um sie zu vergleichen, obwohl ihr Vater sagt, dass die Bibel ein erfundenes Buch .
Auf der Suche nach mehr Informationen findet sie im Internet Videos von einem ehemaligen Muslim, der ebenfalls zum Christentum konvertiert ist. Inspiriert von seinen Worten beginnt Sara, den muslimischen Glauben in Frage zu stellen und greift sogar ihre Familie verbal an, die daraufhin wütend reagiert. Als sie sich eines Tages beim Essen streiten, stößt Saras Vater den Tisch um und stellt seine Tochter unter Hausarrest.
Er nimmt ihr das Handy weg und sperrt sie in ihrem Zimmer ein. «Ich hatte grosse Angst und war schockiert, weil mein Vater immer liebevoll zu mir war.» Zehn Tage lang ist sie in ihrem Zimmer eingesperrt und bekommt nichts zu essen.
Nach zehn Tagen sagt ihr Vater: «Mach dich bereit, morgen wirst du den Neffen deiner Stiefmutter heiraten. Ich habe dich nicht gut erzogen, vielleicht wird er es tun.» Wieder einmal schliesst er die Tür hinter sich. An diesem Abend geht Sara mit der Hoffnung zu Bett, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen.
Wie durch ein Wunder entkommt Sara und flieht nach Norden. Zwei Tage später findet ihr Vater sie wieder: «Wer hat dich aus deinem Zimmer geholt und hierher gebracht?», fragt er seine Tochter und fügt hinzu, dass er es vorgezogen hätte, wenn sie mit einem anderen muslimischen Mann vor der Zwangsheirat geflohen wäre, anstatt ihre Familie zu verlassen, um ihrem neuen christlichen Glauben treu zu bleiben.
Ihr Vater kehrt schliesslich nach Bagdad zurück, während Sara im Nordirak bleibt. Sie erklärt, dass sie mit vielen schwierigen Situationen konfrontiert ist, da Männer versucht haben, sie sexuell auszubeuten; allein zu leben gilt für Frauen im Irak nicht als akzeptabel. Außerdem hat ihr Vater ihren Namen aus den Familienregistern gelöscht, was ihren Alltag prekär macht.
Weiterführendes Material
Der Bericht zur geschlechtsspezifischen Verfolgung 2024 kann auch hier heruntergeladen werden (auf Englisch).
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